- Joule: Wärme und Arbeit
- Joule: Wärme und ArbeitDie Wandelbarkeit von Wärme in Arbeit und Arbeit in Wärme als speziellen Fall der Energieerhaltung experimentell dargelegt zu haben, begründete James Prescott Joules Ruhm in den Naturwissenschaften. Zu seinen Forschungen über das mechanische Wärmeäquivalent war er als Außenseiter gekommen, und erst sein sukzessiver Erfolg begründete seine Identität als Physiker. Parallel dazu kehrte er sich vom Brauereibetrieb ab, durch den seine Familie im Verlauf von zwei Generationen in Manchester zu Wohlstand und Ansehen gekommen war.Brauer, Unternehmer, Erfinder und NaturwissenschaftlerAls James am 24. Dezember 1818 in Manchester geboren wurde, wies die Stadt bereits alle Merkmale einer frühen Industriemetropole Englands auf, die von auswärtigen Besuchern als »Inferno« wahrgenommen wurde. Ein rasantes Industrialisierungstempo ging mit einem rapiden Bevölkerungswachstum einher, was zusammen genommen nicht nur zu sozialen, sondern auch zu gravierenden ökologischen Folgen führte. Gemäß dem damals vorherrschenden Fortschrittsoptimismus galten jedoch die negativen Auswirkungen der raschen Industrialisierung als künftig abwendbar. Prosperität und Bildung erschienen als Allheilmittel, an das zu glauben und das zu schaffen in Manchester und anderenorts ein dichtes Netz technisch-naturwissenschaftlicher Gesellschaften mitwirkte. Sie waren Schmelztiegel der Stadtelite, in denen die Ideale des Fortschritts formuliert wurden. Zu diesen gehörte in erster Linie die Förderung der Ingenieur- und Naturwissenschaften, die als gesellschaftliche und nationale Hoffnungsträger einen hohen Grad an Sozialprestige versprachen.Für Joule, der sich beruflich in dem wenig angesehenen Brauereiwesen betätigte, mag hierin ein Versprechen zu sozialem Aufstieg gelegen haben. Eine akademische Karriere allerdings lag nicht auf dem Lebensweg von Joule. Aufgrund seiner schwachen Gesundheit und einer leichten körperlichen Behinderung wurde er zusammen mit seinem älteren Bruder Benjamin von Hauslehrern unterrichtet. Er besuchte niemals ein College, erhielt lediglich zwischen 1834 und 1837 Unterricht bei dem berühmten Chemiker und Atomisten John Dalton. In jener Zeit arbeitete er bereits in der Brauerei seines Vaters, deren Leitung er später übernahm. Seinen intellektuellen Rückhalt fand er in den technisch-naturwissenschaftlichen Gesellschaften seiner Heimatstadt, in denen sich Kaufleute, Unternehmer, Ingenieure und Naturforscher zusammenfanden. Während sein älterer Bruder sich der Musik zuwandte, pflegte er sich in seiner Freizeit mit naturwissenschaftlichen Experimenten zu beschäftigen. Hieraus erwuchs sein jugendlicher Enthusiasmus, ein eigenes Persönlichkeitsprofil als Erfinder herauszubilden.Die ingenieur- und naturwissenschaftlichen Ambitionen von Joule waren zunächst durchaus mit den Interessen der Brauerei kompatibel: Wie die für Manchester typische Baumwollindustrie ihre Expansion der Mechanisierung und Technisierung verdankte, so stand während Joules Eintritt in die Firma seines Vaters auch die Effektivierung der Produktionsmethoden im Brauereiwesen an. Der allgemeine Trend wies in die Richtung der Normierung, Mechanisierung und Automatisierung. Die im jouleschen Unternehmen bereits 1798 eingesetzte Dampfmaschine durch eine effektivere Arbeitsmaschine ersetzen zu können, mochte Joule nicht nur als Vorteil für den Brauereibetrieb, sondern für den Fortgang der Industrialisierung überhaupt angesehen haben. Jedenfalls knüpfte sich seine Hoffnung auf eine billige und darüber hinaus auch noch saubere, sichere und anpassungsfähige Antriebskraft Ende der 1830er-Jahre an eine elektromagnetische Maschine. So wurde er ein Opfer der damals weit verbreiteten Elektrizitätseuphorie. Nach dem Bau von drei Modellen musste er aber enttäuscht feststellen, dass sie die erwartete Leistung nicht erbrachten und mit der Dampfmaschine nicht konkurrieren konnten. Entsprechend führte Joule in seinem ersten öffentlichen Vortrag in Manchester aus, dass die elektromagnetische Erzeugung unendlich billiger Kraft unrealistisch sei.Obwohl Joule als Erfinder gescheitert war, führten ihn seine frühen Experimente zu der naturwissenschaftlich relevanten These, dass es einen Zusammenhang zwischen dem Wärmeaufkommen beim Betrieb der elektromagnetischen Maschinen und ihrem Leistungsverlust durch den Widerstand gebe. Darauf lenkte Joule seine Aufmerksamkeit und betonte, dass genau dieser zu einem Wärmeaufkommen führe, das der Effektivierung von Maschinen Grenzen setzte. Wie Joule später ausführte, sei der Wärmeeffekt des elektrischen Stroms proportional zum Widerstand. Während er sich vom technischen Ideal einer leistungsfähigen Arbeitsmaschine abwandte, näherte er sich allmählich einer zukunftsweisenden naturwissenschaftlichen Idee an: der äquivalenten Verwandlung von Kräften in der Natur. Entgegen der damals verbreiteten Theorie von der stofflichen Natur der Wärme interpretierte er sie kinetisch und postulierte, dass sich mechanische Arbeit in Wärme und Wärme in mechanische Arbeit verwandle. Zur These des mechanischen Wärmeäquivalents, die Joule zu einem der namhaftesten Physiker des 19. Jahrhunderts machte, kam er als Außenseiter der Naturwissenschaftlergemeinschaft. Als Autodidakt fühlte er sich den naturwissenschaftlichen Dogmen seiner Zeit nicht verpflichtet; seine Interpretationen experimentell hervorgebrachter Phänomene wurden nicht von vornherein in wissenschaftlich kodifizierte Bahnen gelenkt. Während er sich bei seinen Versuchsanordnungen auf Fähigkeiten stützte, die er im Brauereihandwerk gelernt hatte, veranlassten ihn auch die dort gewonnenen Erfahrungen zu einer Deutung der Wärme, die dem damals vorherrschenden naturwissenschaftlichen Theorienbestand weitgehend widersprach. Joule hatte beim Bierbrauen ein Wärmeaufkommen im Prozess der mechanischen und chemischen Zersetzung von Rohstoffen beobachten können. Hierin bestand seine Alltagserfahrung, die er in die Interpretation seiner experimentellen Resultate überführte. Die Reibung, die Ingenieure als Widerstand beim Betrieb von Maschinen erfuhren, nahm Joule in seinem Berufsalltag als Quelle der Wärme wahr. Sie entstand im Fermentierungsprozess, wobei seiner Auffassung nach die Natur »Arbeit« durch Umwandlungsvorgänge verrichtete, bei denen sich Wärme entwickelte. Während Ingenieure Arbeit als Überwindung eines Widerstands interpretierten, erschien Joule die Wärme als Verwandlungsprodukt von Arbeit. Genau diese Annahme speiste seine Deutung jener Erscheinungen, die er bei seinen frühen elektrischen Experimenten beobachtete. Aus einer spezifischen Kombination praktischer Erfahrung und theoretischer Überlegung leitete sich die ihn lebenslang beschäftigende Problemstellung her, Elektrizität und Wärme als mechanisches Äquivalent zu messen und zu bestimmen.Das mechanische WärmeäquivalentAls Joule sich gerade seiner zentralen Lebensaufgabe zu widmen begann, zog die Familie in ein neues Wohnhaus südlich von Manchester, wo der Vater ihm ein großzügiges Laboratorium errichtete. Finanziell gesichert konnte Joule sich neben seinem Tagesgeschäft in der Brauerei fortan intensiv seinen Experimenten widmen. Beim Bau der Vorrichtungen wurde er maßgeblich von dem in Manchester ansässigen Instrumentenbauer Benjamin Dancer unterstützt, der viele der zur Bestimmung des mechanischen Wärmeäquivalents nötigen Präzisionsinstrumente baute.Da es in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts noch keine standardisierten Ausbildungsgänge für Naturwissenschaftler und Physiker gab, gehörte jeder dazu, der in ihren Publikationsorganen veröffentlichte und in ihren Gesellschaften Vorträge hielt. Was im Unterschied zu den nur regional bedeutsamen Amateuren professionelle Naturwissenschaftler ausmachte, konnte Joule 1842 beobachten, als sich die British Association for the Advancement of Sience in Manchester traf. Schon im Jahr darauf fasste er selbst auf ihrem Treffen in Cork seine frühen Ergebnisse zusammen, die er unter dem Titel Ueber die erwärmenden Wirkungen der Magneto-Elektricität und über den mechanischen Werth der Wärme veröffentlichte.Die Quintessenz dieser Studie bestand nicht nur in der These von der kinetischen Natur der Wärme und in der quantitativen Bestimmung des mechanischen Wärmeäquivalents aus experimentellen Versuchen; Joule äußerte überdies eine weitreichende Spekulation, wonach die großen Agenzien der Natur nach dem Willen Gottes unzerstörbar seien, weshalb immer dann, wenn mechanische Kraft verloren gehe, ein exakt äquivalenter Betrag an Wärme gewonnen würde. Obwohl diese Aussage die später erst ausformulierte und für die Physik überaus folgenreiche Idee der Energieerhaltung beinhaltete, konnte Joule zu jener Zeit die Naturwissenschaftlergemeinschaft nicht überzeugen. Mochte er auch bei seinen Vorträgen in Manchester auf eine gewisse Resonanz treffen, auf nationaler Ebene erfuhr er bis 1847 keine nennenswerte Aufmerksamkeit. Zur Anerkennung verhalf Joule nach seiner eigenen Aussage der damals am Beginn einer steilen akademischen Karriere stehende William Thomson, der seit 1846 in Glasgow den Lehrstuhl für Naturphilosophie bekleidete. Dort dachte er zusammen mit seinem Bruder James seit Jahren über die Frage nach, was mit dem mechanischen Effekt bei der Reibung geschehe. Sie waren durch maschinentheoretische Veröffentlichungen auf diese Problemstellung gestoßen, die sie nicht zu lösen vermochten. In der Tradition Newtons waren Verluste von Kräften in der Natur aufgrund unelastischer Kollisionen von Teilchen akzeptabel, solange das Weltbild organismisch eingebettet und die Gewährleistung der kosmischen Stabilität Gott anvertraut war. Erst als die Ingenieurwissenschaften im Zuge der Industrialisierung unterschiedliche mechanische Kräfte vergleichen und das Verhältnis zwischen lebendiger Kraft und Arbeit bestimmen wollten, gerieten Verlustdiagnosen unter veränderte Vorzeichen. Reibung und Widerstand rückten ins Zentrum des Interesses, denn sie provozierten zu der Frage, ob die hierdurch bewirkten Verluste an lebendiger Kraft lediglich durch unvollkommene Techniken verschwendet oder tatsächlich unwiederbringlich verloren waren. Vor allem den Naturwissenschaften, die auf ihrem Weg zum mechanistischen Reduktionismus in den 1840er-Jahren leugneten, dass es die von der Naturphilosophie konzeptualisierten Kräfte der Selbstorganisation und mithin eine Verlustkompensation in der Natur gebe, wurden Verluste an Kraft zum Skandalon. Von unwiederbringlich verlorenen Kräften in der Natur auszugehen, hätte die Naturwissenschaften in die Nähe von Zukunftspessimisten gebracht. Dies war völlig unakzeptabel, zumal auf ihnen nicht nur die Erwartung ruhte, Wissen zur Optimierung der Technik beizutragen, sondern auch eine fortschrittsoptimistische Welterklärung bereitzustellen. Ganz abgesehen von diesen Öffentlichkeitsbelangen widersprachen Verluste ebenso wie das Schaffen von Kräften aus dem Nichts jeder Rechenhaftigkeit in der Physik, der sich daher die Lösung des Verlustproblems geradezu aufdrängte.Obwohl Joule durch seine Alltagserfahrung zur These von der Verwandlung und damit von der Erhaltung der Kräfte kam, lag hierin der Lösungsansatz für die zentrale Problemstellung der Physik in der damaligen Zeit. Anzunehmen, die mechanische Kraft werde bei der Reibung in Wärme umgewandelt, setzte allerdings voraus, sie kinetisch aufzufassen. Nahm man allerdings dies an, dann trat paradoxerweise an einer anderen Stelle ein Verlustproblem auf: beim Betrieb der Dampfmaschine in der Wärmeleitung. Hierauf hatte der Ingenieur Sadi Carnot 1824 in seinen Überlegungen über die bewegende Kraft des Feuers hingewiesen. Seine Theorie der Wärmekraftmaschine, die für die Ingenieure und Physiker der 1840er-Jahre verbindlich war, unterschied den zum Wasserfall analog begriffenen produktiven Übergang der Wärme von einem höheren zu einem tieferen Temperaturniveau von der unproduktiven Wärmeleitung, die sich ohne Arbeitsleistung vollzog und für den geringen Wirkungsgrad der Dampfmaschinen verantwortlich war. Begriff man die Wärme kalorisch, dann konnte sie auch durch die Wärmeleitung nicht zerstört werden; ihre kinetische Interpretation warf aber die Frage auf: Was geschieht mit jener Wärme, die keine Arbeit verrichtet — ist sie unwiederbringlich als mögliche Quelle von Arbeit verloren?Genau in dieses Dilemma des Verlusts geriet William Thomson, als er Joule erstmals 1847 auf einer Tagung über das mechanische Wärmeäquivalent sprechen hörte. Konnte dieses auch dazu verhelfen, den Verlust von mechanischer Kraft bei der Reibung so umzuinterpretieren, dass es sich dabei um eine Verwandlung handle, so schien sich damit nur der Teufel des mechanischen durch den Beelzebub des wärmetechnischen Verlusts austreiben zu lassen. Joule, der weder im Wissensbestand der Natur- noch der Ingenieurwissenschaften befangen war, machte mit der carnotschen Wärmetheorie kurzen Prozess: Er konstatierte, jede Theorie, die von der Vernichtung von Kraft ausgehe, müsse notwendigerweise falsch sein. Diese Überzeugung teilte generell auch Thomson, weshalb er bereit war, Joules Postulat der vollständigen Umwandlung von mechanischem Effekt in Wärme anzuerkennen. Da er sich aber auf der Grundlage der Theorie Carnots nicht erklären konnte, warum nicht alle Wärme vollständig in mechanischen Effekt zu verwandeln sei, barg für ihn das von Joule postulierte mechanische Wärmeäquivalent, das beide Umwandlungsformen beinhaltete, nur die halbe Wahrheit. Denn es war die Wärmeleitung, die Joule nicht erklärt hatte. Tatsächlich bestand hierin die zentrale Schwachstelle der jouleschen Theorie.Ob und wie Kräfte in der Natur erhalten blieben, war Ende der 1840er-Jahre eine Glaubenssache; zu deren Gunsten sprach, dass Verluste nicht zu den Prosperitätserwartungen der sich industrialisierenden Gesellschaften und deshalb nicht in jene symbolische Ordnung passten, die durch die Fortschrittsapologeten aufgebaut wurde. Zu deren Sprachregelungen über die Dienstbarmachung der Naturkräfte und ihre Ordnung passte vielmehr das Erhaltungsaxiom, dem das mechanische Wärmeäquivalent als Spezialfall angehörte und das schließlich sogar die Funktion erhielt, den experimentellen Beweis der Erhaltungsdoktrin zu liefern.Möglich wurde dies allerdings erst, nachdem der deutsche Physiker Rudolf Clausius im Jahre 1850 den Widerspruch zwischen der jouleschen und der carnotschen Theorie beseitigt hatte. Er ging von der kinetischen Theorie der Wärme aus und postulierte die Unterscheidung von zwei Arten der Verwandlung in der Natur: jene, bei der mechanische Arbeit in Wärme oder Wärme in mechanische Arbeit verwandelt wird, und jene, bei der Wärme durch Wärmeleitung von einem höheren zu einem niedrigeren Temperaturniveau fließt, ohne Arbeit zu leisten. Die Wärmeleitung war in eine spezielle Form der Verwandlung uminterpretiert worden, die vom zweiten Hauptsatz der Thermodynamik beschrieben wurde. Im Unterschied zum Erhaltungstheorem des ersten Hauptsatzes wies die Wärme abgesehen von ihrer produktiven Eigenschaft auch den »Eigensinn« auf, Temperaturunterschiede eigenmächtig auszugleichen. Auch wenn dieser Befund die naturwissenschaftliche Arbeit am Wissen mächtig anspornte, war durch ihn der Beelzebub zu einem »verbesserbaren Bösewicht« umgewandelt worden, dem später der Name Entropie zugewiesen wurde.Obwohl erst die mechanische Interpretation der Wärme durch Clausius den Weg zur Anerkennung des mechanischen Wärmeäquivalents und des Erhaltungsaxioms frei machte, bemühte sich Joule auf seine experimentelle Weise um deren Akzeptanz. Er ersann Versuchsanordnungen, die ihm schließlich das Image eintrugen, ein außerordentlich befähigter Experimentator zu sein. Er selbst stilisierte schließlich in seinen Vorträgen und Veröffentlichungen diese Eigenschaft, die seine Resultate mit einem Glaubensvorschuss versehen sollte. Dies jedenfalls verdeutlicht seine Arbeit von 1850 Ueber das mechanische Äquivalent der Wärme, die seinen Ruhm als Physiker begründete.Inhaltlich im Zentrum und institutionell an der Peripherie der PhysikJoule war nicht der einzige Außenseiter unter den Physikern, dem das Erhaltungsaxiom in den 1840er-Jahren zum Glaubensbekenntnis geworden war. Es zu beweisen, schickten sich unter anderen auch die deutschen Ärzte Julius Robert Mayer und Hermann von Helmholtz sowie der dänische Ingenieur Ludvig August Colding an. Thomson, der Joules Umcodierung der Wärme für ein äußerst produktives heuristisches Instrument zur Fortentwicklung der Physik hielt, arbeitete ab 1851 eng mit ihm zusammen. Die zwölf Jahre dauernde Arbeitsgemeinschaft trug beiden in England gegen die Prioritätsansprüche von Mayer, Helmholtz und Clausius das Renommee ein, gemeinsam Begründer der mechanischen Wärmetheorie zu sein. Diese bauten sie in einer für beide vorteilhaften Kooperation aus. Thomson profitierte von der experimentellen Erfahrung von Joule, der den Löwenanteil ihrer gemeinsamen Forschungsarbeiten im Labor bewältigte. Denn er beschaffte und konstruierte die Apparate; auch führte er die Versuchsreihen zur weiteren Bestätigung und Konkretisierung des mechanischen Wärmeäquivalents durch. Thomson fiel hingegen in der Hauptsache die theoretische Interpretation der Ergebnisse zu, die er später in den heute noch üblichen Begriffen der kinetischen und potenziellen Energie formulierte. Außerdem trat er in der Öffentlichkeit für seinen Partner ein, beschrieb ihn als Genie und verfocht dessen Prioritätsansprüche. So trug er zur Integration Joules in die Physikergemeinschaft bei.Je mehr sich Joule als Naturwissenschaftler verstand, umso unwilliger erledigte er seine unternehmerischen Aufgaben. 1854 verkaufte die Familie schließlich die Brauerei, die er nach dem Schlaganfall seines Vaters, der 1858 starb, alleine geleitet hatte. Privat brachten generell die 1850er-Jahre grundlegende Veränderungen im Leben von Joule. Seine Frau Amelia Grimes, die er 1847 geheiratet hatte, starb 1853 kurz nach dem Tode ihres zweiten Sohnes Henry James. Joule blieb mit seinem ersten Sohn Arthur und seiner Tochter Alice zurück, bei deren Erziehung seine Schwester Mary half.Das Thema Krankheit stand in der Familie Joule allzeit auf der Tagesordnung. Joule selbst war aus Sorge vor Unfällen ein überaus nervöser Zugfahrer. Er verreiste selten, vor allem mied er ferne Reisen. Persönlich war er wenig weltgewandt, was zusammen mit seiner leichten körperlichen Behinderung und seiner notorischen Sorge um seine Gesundheit aufgrund von Überanstrengung dazu beitrug, dass er eine Professur am Owen, dem berühmten College in Manchester, ablehnte und auch die ihm 1873 angebotene Präsidentschaft in der Royal Society nicht übernahm. Er akzeptierte nur temporäre Ämter, die seine Bodenständigkeit nicht bedrohten. So ließ er sich 1860 und 1868 zum Präsidenten der Manchester Literary and Philosophical Society wählen, deren Ehrenbibliothekar er bereits 1844 geworden war. Auch wurde er 1857 Mitglied des Councils der Royal Society, deren Goldmedaille er fünf Jahre zuvor für die Bestimmung des mechanischen Wärmeäquivalents erhalten hatte. 1870 wurde ihm die begehrte Copley-Medaille verliehen. Inzwischen als wissenschaftliche Autorität anerkannt, sollte er der Royal Commission on Scientific Instruction seine Auffassungen über Forschungsförderung kundtun. Er empfahl der Regierung, Observatorien für Solarphysik, Geophysik und Meteorologie aufzubauen. Außerdem schlug er ihr vor, wissenschaftliche Museen zu errichten. Als sich die British Association 1861 in Manchester traf, wurde ein Ausschuss gegründet, der sich der Standardisierung des elektrischen Widerstandes widmen und später ein ganzes System elektrischer Maßeinheiten aufstellen sollte. Joule wurde Mitglied dieser Kommission und arbeitete seit 1865 an der Bestimmung des elektrischen Wärmeäquivalents. Im Zusammenhang mit der Standardisierung wurde noch Ende des 19. Jahrhunderts »Joule« als Maßeinheit für Energie eingeführt. Wissenschaftspolitisch wurde Joule kaum tätig. Er hielt nur wenig populärwissenschaftliche Vorträge. Die meisten betrafen sein Lebenswerk. Lediglich 1858 äußerte er sich zur ökologisch relevanten Frage der Düngung von Feldern mit Kloakenwasser der großen Städte - ein damals viel diskutiertes Thema. Obwohl er in diesem Zusammenhang über die Endlichkeit der Ressourcen sprach, beschäftigte ihn dieses Thema nicht im Hinblick auf die Kohlefrage. Auf die 1865 in Manchester von dem Ökonomen W. Stanley Jevons hierüber verfasste Schrift reagierte er nicht, obwohl sie in der Öffentlichkeit eine nervöse Debatte über die Kohlevorräte Englands auslöste. Joule hielt sich von solchen Auseinandersetzungen fern; er empfahl zur Effektivierung der Wärmetechnik eine interne Verbrennung. Sein Denken verblieb im Rahmen des Erhaltungsdogmas. Joule, der die meiste Zeit seines Lebens ohne Entlohnung wissenschaftlich gearbeitet hatte, erhielt erst im Alter eine kleine Rente, nachdem seine Rücklagen sich durch unglückliche Investitionen aufgebraucht hatten. Symptomatisch für ihn war, dass er, obwohl vom ideellen Wert seiner Arbeit im Laufe ihres Fortgangs immer mehr überzeugt, kaum philosophische, kosmologische oder religiöse Begründungen des mechanischen Wärmeäquivalents hinzuzog. Dieses sollte das Ergebnis von exakter Messung und experimenteller Akkuratheit sein, während er die weltanschauliche Deutung anderen überließ - so etwa Balfour Steward, einem am Owen tätigen Physiker in Manchester, der 1873 das populäre Buch Über die Erhaltung der Energie verfasste. Wie darin nachzulesen war, hatte Joule die westliche Welt der Ausformulierung jenes Konzepts entgegengeführt, das die Ausbeutung der Naturressourcen und damit den Fortgang der Industrialisierung vorantrieb. Als Joule am 11. Oktober 1889 verstarb, war die Debatte über die Verträglichkeit des Erhaltungsdogmas mit der Endlichkeit der Ressourcen schon in vollem Gange.Maria OsietzkiDonald S. L. Cardwell: James Joule. A biography. Manchester 1989.
Universal-Lexikon. 2012.